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Ohne Meister selbstständig als Handwerker arbeiten? So geht’s!

Geschrieben von: Sophia Merzbach

Aktualisiert am: Juni 11, 2025

Lesezeit: 6 Minuten

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ich als Handwerker:in selbstständig zu machen, bietet viele Vorteile: Du kannst selbst entscheiden, welche Aufträge du annimmst, dein:e eigene:r Chef:in sein und hast finanziell mehr Spielraum als bei einer Anstellung.

Doch für die Gründung eines Handwerksbetriebs gelten bestimmte Voraussetzungen – insbesondere die sogenannte Meisterpflicht. In diesem Artikel erfährst du, in welchen Fällen du dich auch ohne Meisterbrief selbstständig machen kannst, welche Alternativen es gibt und was du beachten solltest.

Brauche ich einen Meisterbrief, um mich selbstständig zu machen?

In Deutschland gibt es rund 130 anerkannte Handwerksberufe. Diese sind in drei Kategorien unterteilt:

1. Zulassungspflichtige Handwerke (Anlage A)

Für diese 53 Gewerbe besteht Meisterpflicht. Du darfst sie nur dann selbstständig ausüben, wenn du einen Meistertitel hast oder eine Sondergenehmigung bekommst. Typische Berufe:

  • Tischler:in
  • Elektriker:in
  • Friseur:in
  • Installateur:in und Heizungsbauer:in

2. Zulassungsfreie Handwerke (Anlage B1)

Diese 42 Berufe kannst du auch ohne Meistertitel ausüben. Beispiele:

  • Fotograf:in
  • Kosmetiker:in
  • Schuhmacher:in

3. Handwerksähnliche Gewerbe (Anlage B2)

Für diese Berufe ist kein Meisterbrief erforderlich, aber auch sie unterliegen der Handwerksordnung. Beispiele:

  • Bodenleger:in
  • Änderungsschneider:in
  • Maskenbildner:in

Eine vollständige und aktuelle Liste der Handwerksberufe findest du auf den Seiten der Handwerkskammer oder im BMUV-Dokument zur Handwerksordnung.

Änderungen der Handwerksordnung: Rückkehr zur Meisterpflicht

Seit 2020 gilt: Für zwölf Berufe, die zuvor zulassungsfrei waren, wurde die Meisterpflicht wieder eingeführt. Dies betrifft unter anderem:

  • Fliesen-, Platten- und Mosaikleger:innen
  • Betonstein und Terrazzohersteller:innen
  • Estrichleger:innen
  • Behälter- und Apparatebauer:innen
  • Parkettleger:innen
  • Rollladen- und Sonnenschutztechniker:innen
  • Drechsler und Holzspielzeugmacher:innen
  • Böttcher:innen
  • Raumausstatter:innen
  • Glasveredler:innen
  • Orgel- und Harmoniumbauer:innen
  • Schilder- und Lichtreklamehersteller:innen

Diese Regelung soll das Qualitätsniveau im Handwerk sichern und die Ausbildung stärken. Wer sich also in einem dieser Berufe selbstständig machen will, benötigt seitdem wieder einen Meistertitel – oder muss eine Ausnahmeregelung beantragen.

Selbstständig ohne Meistertitel: Diese Möglichkeiten gibt es

Auch wenn du keinen Meisterbrief hast, kannst du dich in vielen Fällen selbstständig machen. Hier sind die wichtigsten Wege:

Zulassungsfreies Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe

Wenn dein Beruf in Anlage B1 oder B2 der Handwerksordnung gelistet ist, kannst du ohne Meistertitel selbstständig arbeiten. Dennoch ist eine Anmeldung bei der Handwerkskammer Pflicht.

Selbstständigkeit im angrenzenden Tätigkeitsfeld

Beispiel: Du bist ausgebildete:r Tischler:in, möchtest aber Messebau anbieten – diese Tätigkeit ist nicht meisterpflichtig. So kannst du dein Know-how einbringen, ohne gegen die Vorschriften zu verstoßen.

Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO (Altgesellenregelung)

Hast du:

  • eine Gesellenprüfung,
  • mindestens 6 Jahre Berufserfahrung,
  • davon mindestens 4 Jahre in leitender Funktion?

Dann kannst du bei deiner Handwerkskammer eine Ausübungsberechtigung beantragen. Damit darfst du auch ein zulassungspflichtiges Handwerk ohne Meisterbrief selbstständig ausüben. Auch wenn du einen Abschluss an einer Fachhochschule oder Universität hast, kann dies eventuell zu einer Berechtigung für die Gewerbegründung in einem zulassungspflichtigen Handwerk beitragen.

Ausnahmebewilligung (§ 8 HwO)

    In Sonderfällen kannst du auch eine Ausnahmebewilligung beantragen – etwa bei besonderer fachlicher Qualifikation oder wenn keine Meister:innen verfügbar sind. Hier prüft die Kammer individuell.

    Fallbeispiel: Selbstständig machen als Geselle

    Wenn du z. B. die Ausbildung und Gesellenprüfung zum Tischler:in absolviert hast, kannst du dich in einem anderen, ähnlichen Feld selbstständig machen. In diesem Fall könntest du bei deiner Tätigkeitsbeschreibung etwa Montage, Kulissenbauen oder Messeaufbau nennen. Die möglichen Tätigkeiten, die du damit ausüben kannst, sind damit zwar beschränkt, aber du kannst bereits Aufträge annehmen, Kund:innen gewinnen und dir nebenher etwas verdienen.

    Wie beantrage ich eine Ausübungsberechtigung?

    Wenn du dich als Geselle selbstständig machen willst und bisher keinen Meisterabschluss hast, dann kannst du eine Ausübungsberechtigung beantragen. Dies tust du bei deiner zuständigen Handwerkskammer mit einem schriftlichen Antrag (oft auch per E-Mail oder Online möglich). Zudem musst du anhand von Dokumenten vorweisen können, dass die Ausnahmeregeln auf dich zutreffen.

    Schritt für Schritt zur Selbstständigkeit im Handwerk

    Hier findest du eine Checkliste für deine Selbstständigkeit als Handwerker:in:

    1. Beruf prüfen: Prüfe, ob dein Handwerk, mit dem du dich selbstständig machen willst, einen Meisterbrief erfordert oder bestimmte Ausnahmen auf dich zutreffen könnten.
    2. Handwerkskammer kontaktieren: Für die meisten Handwerker:innen ist die Mitgliedschaft in der Handwerkskammer verpflichtend. Informiere dich darüber bei deiner regionalen Handwerkskammer. Dort erfährst du auch, ob du Fördermittel oder finanzielle Unterstützung bekommen könntest und kannst dir bei Fragen weiterhelfen lassen.
    3. Konkurrenzanalyse: Informiere dich über die Konkurrenz in deiner Region. Welche Preise bieten ähnliche Betriebe an, wie viele gibt es usw.
    4. Businessplan erstellen: Für die Gewerbegründung musst du einen Businessplan erstellen. Benötigst du dafür Unterstützung, erhältst du diese ebenfalls bei deiner lokalen Handwerkskammer.
    5. Versicherungen abschließen: Informiere dich über wichtige Versicherungen, wie Betriebshaftpflicht, Krankenversicherung etc.

    Steuern & Buchhaltung: Die Verwaltung deiner Steuern und Buchhaltung ist ein wichtiger Bestandteil deiner Selbstständigkeit im Handwerk. Als Unternehmer:in bist du verpflichtet, regelmäßig deine Einnahmen und Ausgaben zu dokumentieren und entsprechende Steuererklärungen abzugeben.

    💡Tipp von Accountable: Wenn du dich selbstständig machst, musst du dich um deine Buchhaltung, Finanzen und Steuern kümmern. Da Steuerberater:innen schnell kostspielig werden können, nutzen viele Gewerbetreibende und Freiberufler:innen Steuerprogramme, mit denen sie diese Arbeit selbst erledigen können. Accountable ist eine Steuersoftware für Selbstständige, die die komplette Buchhaltung und alle Steuererklärungen in einem Tool abdeckt. Mehr dazu erfährst du hier!

    Gründungsförderung und finanzielle Unterstützung

    Die Gründung eines Handwerksbetriebs kann eine große finanzielle Herausforderung darstellen. Glücklicherweise gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten und finanzielle Unterstützung, die dir den Start erleichtern können. Hier sind einige der wichtigsten Programme:

    1. Gründungszuschuss der Arbeitsagentur:
      Wenn du aus der Arbeitslosigkeit heraus gründest, kannst du einen Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten. Dieser Zuschuss dient der Absicherung während der Anfangszeit deiner Selbstständigkeit und kann helfen, die finanziellen Belastungen zu mindern.
    2. KfW-Unternehmerkredit:
      Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bietet verschiedene Förderkredite für Gründer:innen an. Der KfW-Unternehmerkredit ist eine Option für alle, die Kapital für die Gründung ihres Handwerksbetriebs benötigen. Besonders vorteilhaft ist der niedrige Zinssatz und die lange Laufzeit.
    3. Förderung von Investitionen durch das BAFA:
      Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fördert Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Falls dein Handwerksbetrieb in einem dieser Bereiche tätig ist, könntest du von dieser Förderung profitieren.
    4. Existenzgründerseminare und Beratungsförderung:
      Viele Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern bieten Existenzgründerseminare und Beratungsangebote an, die dir helfen, deine Selbstständigkeit erfolgreich zu starten. Oft werden die Kosten für diese Beratungsangebote durch Fördermittel teilweise oder ganz übernommen.
    5. Regionale Förderprogramme:
      Neben bundesweiten Förderungen gibt es auch zahlreiche regionale Förderprogramme, die von Bundesländern oder Kommunen bereitgestellt werden. Diese Programme können Zuschüsse, zinsgünstige Kredite oder sogar steuerliche Erleichterungen umfassen.
    6. Steuerliche Förderung für Investitionen:
      Auch steuerliche Förderungen können helfen, die Gründungskosten zu senken. Investitionen in bestimmte Betriebsmittel wie Maschinen oder Fahrzeuge können durch steuerliche Abschreibungen oder Sonderregelungen begünstigt werden.

    Es lohnt sich, diese Fördermöglichkeiten frühzeitig zu recherchieren und bei der Handwerkskammer oder anderen Gründungsberatungsstellen nach weiteren Unterstützungsmöglichkeiten zu fragen. So kannst du deine Finanzen besser planen und deinen Handwerksbetrieb erfolgreich starten.

    Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit ohne Meisterbrief

    Die Entscheidung, sich ohne Meisterbrief im Handwerk selbstständig zu machen, bringt sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich. Es ist wichtig, diese sorgfältig abzuwägen, um eine informierte Entscheidung für die eigene Gründung zu treffen.

    Vorteile der Selbstständigkeit ohne Meisterbrief

    1. Geringere Einstiegshürden: Einer der größten Vorteile der Selbstständigkeit ohne Meisterbrief ist der erleichterte Zugang zum Handwerk. Wer keinen Meisterbrief hat, muss sich nicht jahrelang auf eine Meisterausbildung vorbereiten, die mit hohen Kosten und einem umfangreichen Prüfungsprozess verbunden ist. Dies bedeutet, dass der Einstieg in die Selbstständigkeit schneller erfolgen kann.
    2. Kostenersparnis: Die Kosten für eine Meisterprüfung und die erforderliche Meisterausbildung können erheblich sein. Für Gründer:innen ohne Meistertitel entfallen diese Kosten, was insbesondere für junge Gründer:innen oder Personen mit begrenztem Kapital von Vorteil sein kann. Dadurch bleibt mehr Budget für Investitionen in Materialien, Maschinen oder Marketing.
    3. Flexibilität bei der Wahl der Tätigkeitsfelder: Wenn du keinen Meisterbrief hast, kannst du in vielen handwerksähnlichen Berufen oder in angrenzenden Tätigkeitsfeldern arbeiten. Du hast mehr Freiraum, verschiedene Geschäftsfelder auszuprobieren und dich auf Nischenmärkte zu konzentrieren, die weniger reglementiert sind.
    4. Möglichkeit zur Weiterqualifizierung: Auch ohne Meisterbrief kannst du dich kontinuierlich fort- und weiterbilden, etwa durch spezialisierte Fachkurse oder die Erlangung anderer Qualifikationen, die dir helfen, in deinem Bereich weiter erfolgreich zu sein.

    Nachteile der Selbstständigkeit ohne Meisterbrief

    1. Eingeschränkte Geschäftsmöglichkeiten: Der größte Nachteil der Selbstständigkeit ohne Meisterbrief ist, dass du in vielen klassischen Handwerksberufen (z. B. Tischler:in, Elektriker:in, Friseur:in) bestimmte Arbeiten nicht ohne Meistertitel ausführen darfst. Insbesondere im Bereich der Zulassungspflichtigen Handwerke (Anlage A der Handwerksordnung) bist du eingeschränkt. Dies bedeutet, dass du in deinem gewählten Handwerk oft nicht alle Dienstleistungen anbieten kannst.
    2. Rechtliche Hürden und Auflagen: In einigen Fällen kannst du nur mit einer Ausübungsberechtigung oder Ausnahmegenehmigung in einem Handwerksberuf arbeiten. Dieser bürokratische Aufwand kann langwierig und mit Unsicherheiten verbunden sein, da die Handwerkskammern und Behörden die Anträge individuell prüfen. Zudem bist du als Selbstständige:r ohne Meistertitel oft an strengere Auflagen gebunden, etwa hinsichtlich der Beschäftigung von Fachkräften.
    3. Wettbewerbsvorteil durch den Meisterbrief fehlt: Viele Kund:innen verbinden den Meisterbrief mit Qualität und Fachwissen. Als Gründer:in ohne Meisterbrief könnte es schwieriger sein, Vertrauen bei potenziellen Kund:innen zu gewinnen. Zudem sehen viele Menschen den Meisterbrief als ein Alleinstellungsmerkmal für qualifizierte Handwerker:innen. Dies könnte es dir erschweren, dich auf dem Markt zu behaupten und als seriöse:r Anbieter:in wahrgenommen zu werden.
    4. Schwierigkeiten bei der Expansion und Personalführung: In bestimmten Handwerksbereichen kannst du als Gründer:in ohne Meisterbrief keine Mitarbeiter:innen beschäftigen oder musst eine:n Betriebsleiter:in mit Meistertitel einstellen. Wenn du dein Unternehmen vergrößern möchtest, kann dies zusätzliche organisatorische und finanzielle Belastungen mit sich bringen.

    „Die Möglichkeit, sich auch ohne Meisterbrief selbstständig zu machen, ist ein großer Vorteil für viele Handwerker:innen. Dennoch erfordert es ein hohes Maß an unternehmerischem Wissen und Verantwortungsbewusstsein, um den Betrieb erfolgreich zu führen.“

    Markus Thomas Boldt - Steuerberater und Consultant

    Fazit: Selbstständig ohne Meisterbrief – eine durchdachte Entscheidung

    Die Entscheidung, sich ohne Meisterbrief selbstständig zu machen, bietet sowohl Chancen als auch Risiken. Es ist wichtig, die eigenen Fähigkeiten, das angestrebte Geschäftsfeld und die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig zu prüfen. Für viele Gründer:innen kann dies der richtige Schritt sein, um schnell in die Selbstständigkeit zu starten und mit geringeren Anfangskosten in den Markt einzutreten.

    Gleichzeitig sollten jedoch die Einschränkungen und Herausforderungen berücksichtigt werden, insbesondere im Hinblick auf die Marktpositionierung und mögliche rechtliche Hürden. Wer sich umfassend informiert und die richtigen Maßnahmen ergreift, kann auch ohne Meisterbrief erfolgreich im Handwerk tätig sein.

    FAQ: Häufige Fragen zur Selbstständigkeit ohne Meister

    1. Kann ich mich ohne Ausbildung im Handwerk selbstständig machen?

    Nein. Für eine Eintragung bei der Handwerkskammer ist in der Regel eine abgeschlossene Berufsausbildung Voraussetzung.

    1. Gilt die Ausübungsberechtigung für alle zulassungspflichtigen Berufe?

    Nein. Die Kammern prüfen individuell, ob deine Qualifikationen und Erfahrungen ausreichen.

    1. Was kostet eine Ausübungsberechtigung?

    Das hängt von der Region ab, liegt aber meist zwischen 100–400 Euro.

    Kann ich Angestellte beschäftigen, wenn ich keinen Meister habe?

    In zulassungsfreien Berufen: ja. In zulassungspflichtigen Berufen: nur mit Meistertitel oder bei Eintragung eines Betriebsleiters mit Meistertitel.

    Welche Fördermöglichkeiten gibt es für die Selbstständigkeit im Handwerk?

    Es gibt verschiedene Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene, die dir beim Start in die Selbstständigkeit helfen können. Informationen erhältst du bei der Handwerkskammer oder über spezielle Gründerzentren.

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    Autor - Sophia Merzbach

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